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Sehnsuchtsfarbenes Land | Astrid Schwabe, Neues Deutschland, 7. Februar 2011
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Seltene Gelegenheit: »Frost« von Fred Kelemen
Am Sonnabend den 12. Februar 2011 gibt es im Kino Krokodil in Berlin um 20.00 Uhr die seltene Gelegenheit, eine Aufführung des Filmes »Frost« von Fred
Kelemen zu sehen, ».... einen der ganz großen Filme der neunziger Jahre. Bis heute hat der Film nicht die ihm gebührende Verbreitung gehabt. "Frost" ist ein
Film, der wirklich noch zu entdecken ist.« (Erika Gregor)
»Frost« erzählt von dem siebenjährigen Micha, der am Weihnachtsabend mit seiner Mutter Marianne vor dem betrunkenen, gewalttätigen Vater aus ihrer
Berliner Mietswohnung fliehen muß. Marianne hofft, am Ort ihrer Kindheit in der ehemaligen DDR Ruhe und Schutz zu finden. Ihre Flucht führt Micha und seine
Mutter durch die einsamen, weiten winterlichen Landschaften Brandenburgs. Als sie an den ersehnten Ort gelangen, ist dort nichts als eine Öde aus Eis, aus der
am Horizont die Spitze eines in der Überflutung versunkenen Kirchturms sticht. Hat es den Ort aus Mariannes Kindheit hier wirklich gegeben? Täuscht sie die
Erinnerung? Marianne und Micha müssen ihre nun ziellose Odyssee fortsetzen, denn einen Ort der Rückkehr gibt es nicht.
Die langen Einstellungen, die unverbrauchte Schönheit der Bilder lassen die Verlorenheit und Verlassenheit der beiden Menschen in dieser Landschaft mit
schmerzlicher Wucht und tiefgreifender Anteilnahme empfinden. Die Menschen, denen Mutter und Sohn begegnen, versuchen aus deren Not ihre Vorteile zu ziehen,
um ihrer eigenen Einsamkeit und Verlorenheit wenigstens für Momente zu entfliehen, und sich die Illusion menschlicher Wärme und Nähe zu verschaffen. Dabei
gibt es kein Erbarmen. Es ist schließlich Micha, das Kind, das dem zerstörerischen Bann des sich unablässig wiederholenden Mechanismus der Angst, Egozentrik
und Gewalt und dem Mangel an Vision für eines besseres Leben seitens der Erwachsenen mit einem befreienden Fanal ein Ende setzt.
Frei und alleine hat Micha die Entscheidung, in welche Richtung er weitergehen wird. Mit diesem letzten Moment des nah im Bild stehenden Jungen, hinter
dem sich ein Weg zum Horizont erstreckt, und dessen zerbrechlicher Blick sich suchend von uns ab und zu uns hin wendet, entläßt uns der Film in unser je
eigenes Leben, das uns auffordert, Entscheidungen zu treffen.
»...jede Einstellung ... ist so lang, wie sonst ganze Sequenzen sind. Ein vollkommen ungewohnter Rhythmus ist das, den man kaum ertragen könnte, wäre
nicht jedes Bild dieses Films eine Offenbarung von Schönheit, von Wärme inmitten der polaren Trostlosigkeit dieses Lebens. (Peter W. Jansen).
F. Kelemens zentrale Themen - menschliche Grausamkeit, Einsamkeit, Sehnsucht und Zerbrechlichkeit – erfahren in diesem Film eine epische Ausbreitung.
"»Frost« ist mit seiner Furcht einflößenden Leere und seiner plötzlichen gewaltsamen Katharsis einer der Meilensteine des europäischen Films der späten 90er
Jahre." .(Anthology Film Archives, New York, Januar 2003)
Wie seine Protagonisten trägt dieser Film ein schweres Schicksal. Vor 13 Jahren entstanden und mit Preisen ausgezeichnet, kam er aufgrund des
destruktiven Agierens seines Produzenten nie regulär ins Kino. Bis heute existiert nur eine einzige Filmkopie, die durch viele Aufführungen seither stark
abgenutzt und in ihrem Bestand akut gefährdet ist. Jede Vorführung könnte die letzte sein.
Es wäre für die Filmkunst dieses Landes und weltweit ein enormer kultureller Verlust, würde dieser wunderschöne, bewegende und bedeutende Film von
universaler Menschlichkeit, der auch ein Dokument der "Nachwendezeit" ist, von der Leinwand verschwinden und eines Tages zu den verloren Kunstwerken gerechnet
werden müssen.
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