» Black Box | Nr. 159, Januar 2004 | Interview: Ellen Wietstock
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Von Wunsch- und Überlebensprojekten
Welche Filme wollen wir?

Der Berliner Regisseur Fred Kelemen erhielt 1995 für seinen Film Verhängnis den Deutschen Filmpreis in Silber. Er gehört mit zum Kreis der Filmpreisträger, die ihre Bedenken gegen die Deutsche Filmakademie in einem Offenen Brief an die Kulturstaatsministerin Christina Weiss darlegten. In Deutschland, so Fred Kelemen, werde dem Mainstreamkino zuviel Beachtung geschenkt, der künstlerische Film dagegen bleibt auf der Strecke.

Ellen Wietstock: In Deutschland werden jährlich etwa 500 Filmprojekte (an)-gefördert. Treffen die Fördergremien die falschen Entscheidungen?

Fred Kelemen: Dem deutschen Film fehlt eine eigene Handschrift. Jedes Jahr wundert man sich aufs neue, warum auf Festivals wie Cannes keine genuin deutschen Produktionen in den Wettbewerb gelangen. Offenbar sind die Filme nicht interessant genug, denn warum soll man einen deutschen Film einladen, der aussieht wie ein amerikanischer? Wenn hier Abhilfe erwünscht ist, muß man den Filmregisseuren in Deutschland eine Chance geben, die abseits vom Mainstream arbeiten, die formal andere Wege beschreiten und ihre Themen selbstbestimmt ihren eigenen Ansprüchen entsprechend umsetzen wollen, und deren Filme eine leidenschaftliche künstlerische Äußerung ganz eigener Art sein kann, was die Filmkunst insgesamt in der Vergangenheit immer wieder zu befruchten vermochte. Nur so konnte nach und nach das ABC des Films entstehen. Jede Tradition beginnt mit einer Innovation und kann sich nur aufgrund der unangepassten Leistung Einzelner immer wieder erneuern, was für ihr Fortbestehen notwendig ist. Konformismus führt zu Stagnation und in letzter Konsequenz zum Ersterben jeder Bewegung und damit des Lebens.

Im Ausland ist das Image des deutschen Kinos geprägt von der Ära des neuen deutschen Films, danach kommt im Grunde nichts mehr. Diese Lücke kann meiner Meinung nach eh nicht geschlossen werden, aber man könnte diese Art von Kino aktivieren, indem Regisseure die Chance erhalten, Projekte zu realisieren, an die sie wirklich glauben, und deren Gestaltung ihren künstlerischen Kriterien und ihrer Begabung Rechnung trägt, anstatt sich an äußerlichen formalen Vorgaben zugunsten scheinbar problemloserer Vermarktbarkeit auszurichten. Momentan fällt es sogar Produzenten schwer, die von ihnen favorisierten Filmprojekte weiter zu entwickeln, weil sie befürchten, sie nur schwer bei den Förderinstitutionen und erst recht nicht bei den Sendern durchzubringen. Während also die Wunschprojekte in der Schublade bleiben, werden Filme produziert, die ihnen das Überleben sichern. Unter diesen Schubladenprojekten befinden sich aber vielleicht diejenigen, die dem Kino in Deutschland den Aufschwung verschaffen könnten.
Damit meine ich nicht den ökonomischen Erfolg. Ich spreche vom künstlerischen Erfolg, wobei das eine das andere nachzieht. Wenn der deutsche Film im Ausland akzeptiert wird, stellt sich auch eine Rückkoppelung ein. Ich glaube nicht an den Weg, der momentan versucht wird, nämlich die kommerzielle Seite zu stärken in der Hoffnung, die künstlerische Akzeptanz stelle sich von selbst ein. Die ist nur durch größere Risikobereitschaft der Förderer zu erreichen, durch bewußte Investition in Filmprojekte „mit ungewissem Ausgang“, denn schließlich ist kommerzieller Erfolg auch nicht kalkulierbar.

Ellen Wietstock: An welcher Stelle im Getriebe des Förder- und Finanzierungskarussells müßte ein Umdenken ansetzen?

Fred Kelemen: Bei der Förderpraxis. Momentan laufen Großproduktionen, Mainstreamprojekte und Low-Budget-Filme vorwiegend über einen Tisch, es entscheiden die gleichen Gremien und Jurys. Ich denke, eine Unterscheidung in Wirtschaftsförderung und kulturelle Filmförderung wäre wünschenswert. Ein Film, der unbedingt 100.000 Besucher haben muß, weil sonst die Produktionsfirma pleite geht, wird nach anderen Kriterien beurteilt. Das künstlerische Projekt kann - wenn wirtschaftliche Aspekte im Vordergrund stehen – wenig in die Waagschale werfen. Ein solches Verfahren macht den Film als Kunst kaputt. In der Förderpraxis sollten für bestimmte Projekte filmästhetische Kriterien wie Thema, Form und Filmsprache eine Rolle spielen. Literatur, Musik, die bildende Kunst und das Theater sind weiter als der Film. Die Filmkunst als jüngste aller Kunstgattungen aber hinkt hinter allen anderen Kunstsparten hinterher. Wir leben im 21. Jahrhundert, aber die sogenannten Mainstreamfilme folgen in ihrer narrativen Struktur noch immer der Erzählform des Romans des 19. Jahrhunderts. Und weil ein Film bekanntlich mehr Geld kostet als zum Beispiel das Malen eines Bildes, kann sie sich nur unter einem besonderen Schutz weiter entfalten und darf nicht den Mechanismen des Marktes ausgesetzt werden. Das setzt voraus, daß Filmkunst und ihre Entwicklung auch politisch gewollt ist. Es geht letztlich um die Frage: Welche Filme wollen wir? Das Bestehen darauf, daß Film Kunst und einen Wert an sich darstellt, ist weder larmoyant noch naiv, sondern die Grundlage dafür, um überhaupt alternativ nachzudenken und nicht den Status quo zu akzeptieren und darauf zu bestehen, daß jeder Film an der Kinokasse viel Geld einspielen muß. Wenn von politischer Seite innovative Filme gefordert werden, was ganz richtig ist, muß ihrer Entstehung allerdings die Schaffung von Strukturen vorausgehen, die diese Filme ermöglichen, das heißt die ihre Schöpfer in die Lage versetzen, sie zu realisieren. Dazu gehört der Verzicht auf ein Massenpublikum und sofortigen kommerziellen Erfolg, generell die Verabschiedung der Ideologie der Effizienz. Innovation und breite Vermarktbarkeit schließen sich in der Kunst generell aus. Das Innovative ist immer erst einmal Sache einer Minderheit.

Ellen Wietstock: Es gibt noch Ausnahmen wie die FilmFörderung Hamburg. Dort existieren zwei Fördergremien, die jedoch nicht inhaltlich, sondern Aber die Tendenz ist schon eindeutig: Während auf Bundesebene ein Kulturministerium eingerichtet wurde, bauten die Länden sukzessive ihre kulturellen Filmförderungen ab - bis auf die mit sehr geringen Fördermitteln ausgestatteten Förderungen in Hessen, Schleswig-Holstein, Bremen und Mecklenburg-Vorpommern. Was kann das BKM Deiner Meinung nach ausrichten?

Fred Kelemen: Nicht viel. Das BKM verweist ja stets darauf, daß Kultur Ländersache ist und man keine Möglichkeit habe einzugreifen. Frankreich ist bekanntlich einen ganzen Schritt weiter. In Deutschland wird im Bereich Film immer sehr einseitig Richtung U. S. A. gesehen, dabei wäre es doch naheliegender, nach Frankreich zu schauen. Der ehemalige französische Kulturminister Jack Lang hat sich vor Jahren zum Beispiel getraut, bei den Gatt-Verhandlungen die Position zu vertreten, daß Film keine Ware oder Dienstleistung, sondern ein Kulturgut, ein geistiges Gut ist, um ihn aus den zu verhandelnden Posten auszuklammern. Filmkunst wird in Frankreich durch Quoten geschützt, und neben einem Mainstream-Film wie Asterix und Obelix entsteht eben auch ein Film wie Irreversible von Gaspar Noé. Es gibt nicht dieses Entweder-Oder, sondern die humanere und elegantere Lösung des „sowohl als auch“. Deshalb findet sich in den französischen Kinos auch nicht wie bei uns über 80% US-amerikanische Ware.

Ellen Wietstock: Zur Zeit liegt der Anteil des deutschen Films am einheimischen Kinomarkt bei 16%.

Fred Kelemen: Ich halte es etwas für Augenwischerei, wenn der Anstieg nur auf einem oder bestenfalls zwei Filmen beruht, wie in diesem Fall auf Good Bye, Lenin! und Das Wunder von Bern. Im Grunde erreicht der deutsche Film im Jahresdurchschnitt laut Statistik bestenfalls 10- bis 12% Marktanteil. Durch die einseitige Focussierung auf Mainstreamprojekte geht das Andere verloren. Auch der inzwischen kommerziell erfolgreiche Wolfgang Becker hat nicht mit Mainstreamfilmen angefangen; auch er hat sich anfangs leisten dürfen, sehr interessante Filme ohne direkten Verwertungszusammenhang zu realisieren. Wenn man den Leuten nicht die Chance zum Arbeiten gibt, können sie sich auch nicht erproben, nicht das Handwerk lernen und vervollkommnen, und vor allem ihre Persönlichkeit nicht stärken und Reife erlangen. Zum Filmemachen gehört eben nicht nur Technik, sondern auch die Erfahrung mit sich selbst und ein wirkliches Verständnis dieser Kunst; am Drehort ist der Regisseur mit sich selbst konfrontiert; dort begegnen ihm all die unbekannten Drachen seiner eigenen Persönlichkeit, mit denen er sich unter Umständen nie konfrontierte. Ein Regisseur hat vor allem mit Menschen zu tun; mit sich und anderen. Eine Idee und ein theoretisches Wissen reichen nicht aus. Ein erfolgreicher Umgang mit Menschen und dieser Kunst kann nur praktisch erlernt werden.

Der Schauspieler Bruno Ganz hat vor einiger Zeit in einem Interview gesagt, daß heute in Deutschland ein Film wie Himmel über Berlin von Wim Wenders schon nicht mehr möglich wäre. Auch ein junger Rainer Werner Fassbinder würde heute keine Finanziers für seine Filme finden. Damals gab es innerhalb einer Generation einen Konsens über eine gewisse politische Haltung und vielleicht sogar Ziele, die sogar von Redakteuren in den Sendern und von Förderern, die auch Talentpotentiale erkannten, geteilt wurden. Das Oberhausener Manifest hat sich 1962 gegen die Kommerzialisierung der Filmproduktion gewandt und der Text hat heute noch Aktualität, da dieser Konflikt weiterhin existiert, sich sogar wieder verschärft hat. Nur finden sich heute Regisseure und Redakteure bzw. Filmförderer - bis auf wenige Ausnahmen - nicht mehr auf der selben Seite. Sie sind keine Verbündeten bei dieser doch alle angehenden inzwischen sehr drastischen Entwicklung. Das ist sehr schade. Denn gerade die Filmkunst und die Kultur insgesamt wären doch geeignet, zum Beispiel der zunehmenden Kommerzialisierung aller Bereiche unseres Lebens etwas entgegen zu setzen, eine andere Vision von einer anderen Art zu leben zu artikulieren. Das läge vielleicht sogar in ihrer Verantwortung. So wurde es auch von vielen damals in den 60ern verstanden. Auch ein Mann wie Günter Rohrbach plädierte damals für eine andere Art von Kino. Ich würde mir wünschen, daß die Erinnerung an diese Gedanken reaktiviert wird.

Ellen Wietstock: Günter Rohrbach propagierte Mitte der siebziger Jahre den amphibischen Film, der sowohl im Kino als auch im Fernsehen funktionieren sollte, und damit einen Geist rief, den Regisseure und Produzenten gern wieder los werden möchten. Filmkritiker beklagen, daß immer mehr deutsche Kinofilme wie Fernsehfilme aussehen.

Fred Kelemen: Sicher beeinflussen die Fernsehsender auch die Kinofilme in ästhetischer und inhaltlicher Hinsicht. Es wird überwiegend die Erfüllung von Standards verlangt, bestimmte Erzählrhythmen müssen eingehalten, narrative Formen gewahrt, technische Vorgaben erfüllt werden. Und zunehmend sollen möglichst alle Filme zwanzig-Uhr-fünzehn-tauglich sein. Wenn dem Zuschauer allerdings neue Formen vorenthalten werden, kann sich nichts ändern. Man sollte den Mut aufbringen, dem Zuschauer die Chance zu geben, seinen Horizont zu erweitern, indem ihm gezeigt wird, daß es auch eine andere Filmsprache gibt, selbst wenn diese anfangs seltsam anmuten mag und gewöhnungsbedürftig ist. Eine Veränderung setzt eine Vision, und einen Willen voraus, den ich bei den Sendern und ihren Redakteuren überwiegend ,bis auf bei wenigen wichtigen Ausnahmen, vermisse, denn im Grunde wäre das Fernsehen ein ideales Medium, die Zuschauer die Erfahrung mit neuen Formen machen zu lassen, ihre Wahrnehmungsmöglichkeiten zu erweitern und sie damit in die Lage zu versetzten, auch sogenannte schwierigere Filme zu „lesen“, ihren erzählerischen Code zu verstehen. Das Fernsehen wäre ein wundervolles Mittel, das ABC des Films zu erweitern.

Ellen Wietstock: Im Fernsehen war auch einmal etwas anderes möglich: Das ‚Kleine Fernsehspiel‘ hat einmal im Vorabendprogramm begonnen. Der erste Zyklus des Heimat-Projekts von Edgar Reitz lief mit großem Erfolg zur Hauptsendezeit. Heute ist man in den Sendeetagen der Auffassung, daß noch nicht einmal ein Film wie Die Unberührbare mit Hannelore Elsner zur Primetime ausgestrahlt werden kann.

Fred Kelemen: Was hindert die Verantwortlichen in den Sendern daran, sogenannte „schwierige“ Filme um 20 Uhr 15 auszustrahlen? Es ist sehr aufschlussreich zu sehen, welche Filme welchen Zuschauern zugemutet werden. Plaziert ein Sender einen Film um 0 Uhr 15, heißt das, daß die 20-Uhr-15-Zuschauer diesen Film nicht verstehen können? Und bedeutet das im Umkehrschluß, daß die Leute, die es sich leisten können, um Mitternacht fern zu sehen, da sie am nächsten Morgen nicht aufstehen und zur Arbeit gehen müssen, das große und weiter wachsende Heer der Arbeitslosen also, klüger oder offener sind als die Zuschauer, die zur Arbeit gehen? Sind Arbeitslose klüger? Warum also ist ein Film, der um 0 Uhr 15 ausgestrahlt wird, nicht auch um 20 Uhr 15 sendbar? Und wenn nicht, warum sollen nicht mehr Filme für die Zeit nach Mitternacht produziert werden, wo ein von Arbeitslosen gebildetes enormes nächtliches Zuschauerpotenzial, das eine immer größer werdende Minderheit darstellt, wartet.
Ich vermisse bei den Verantwortlichen das Vertrauen darauf, daß Menschen neugierig und durchaus in der Lage sind, Unbekanntes aufzunehmen, beispielsweise Hannelore Elsner als Unberührbare in einer ganz anderen Rolle. Dem Zuschauer nichts zuzutrauen zeugt von mangelndem Respekt, Arroganz oder gar von Verachtung ihm gegenüber. Der Zuschauer verdient ernst genommen zu werden, schließlich ist er gezwungen, das öffentlich-rechtliche Programm zu finanzieren. Und diese Achtung kann sich auch darin ausdrücken, ihn zu fordern.

Ellen Wietstock: Mit welchen Argumenten begründest Du Deine Skepsis gegen die Deutsche Filmakademie?

Fred Kelemen: Offenbar ist den Gründern gar nicht bewußt, wie widersprüchlich das Statut für das Auswahlverfahren zum Deutschen Filmpreises ist und mit welcher Doppelmoral hier agiert wird. Einerseits sollen die bisherigen Filmpreisträger die personelle Basis bilden, andererseits würden die aktuellen Regularien der Filmakademie de facto viele dieser bisherigen von einer unabhängigen Jury ausgewählten Preisträger ausschließen und ihre Arbeiten nicht zur Nominierung zulassen, weil zukünftig die Voraussetzung dafür die vorherige Auswertung eines Spielfilms im Kino mit mindestens zehn Kopien ist. In der Vergangenheit wurden viele Filme prämiert, die eine kleinere Kinoauswertung hatten., was auch richtig und notwendig ist. Die an einem zukünftigen Auswahlverfahren beteiligten Regisseure und Produzenten als Mitglieder der Filmakademie sind also ausgezeichnet worden für eine Arbeit, die wegen der jetzt geltenden 10-Kopien-Regelung gar nicht mehr auszeichnungswürdig ist. Im Nachhinein wird den alten Bundesfilmpreisträgern damit die Filmpreisehre eigentlich aberkannt, obgleich eben diese Auszeichnung sie zur Mitgliedschaft als „geborene“ Mitglieder berechtigt. Diese 10-Kopien-Hürde gehört gestrichen. Jeder, dessen Film im Kino ausgewertet wurde und also von Zuschauern gesehen werden konnte, sollte unabhängig von der Anzahl der Kopien und dem kommerziellen Aspekt oder der Anzahl der Zuschauer das Recht haben, für den deutschen Filmpreis nominiert zu werden. Und die Akademiegründer sollten über dieses 10-Kopien-Kriterium nachdenken und es revidieren. Oder sie sollten offen legen, warum das sinnvoll ist? Auch die Unterscheidung zwischen „geborenen“ und „gekorenen“ Filmakademiemitgliedern halte ich für absurd. Der Deutsche Filmpreis ist eine Auszeichnung für eine Leistung und keine angeborene Eigenschaft. Zudem ist der Mitgliedbeitrag mit 250 Euro im Jahr viel zu hoch, was ebenfalls viele ausschließt. Ich halte außerdem das Auswahlverfahren für den deutschen Filmpreis, wie es von der Akademie geplant ist, für sehr problematisch.

Jeder Betroffene sollte sich fragen, ob er einem Verein beitreten will, der bestimmte Mitglieder und deren Arbeit gar nicht mehr würdigen will. Jeder sollte darüber nachdenken, ob er diese Akademie, so wie sie sich in ihrem Statut definiert, wirklich braucht. Jeder sollte darüber angstfrei nachdenken. Im Moment ist, wie ich in Gesprächen erfahren konnte, sehr viel Verkrampfung im Spiel. Es gehen Angst und Irritation in der Filmszene um, Angst, von etwas ausgeschlossen zu werden, was sich jetzt als Elite firmiert, gepaart mit der Befürchtung, zukünftig schwerer Arbeit zu bekommen. Grundsätzlich ist die Idee einer Filmakademie nicht falsch und könnte sogar die große Chance einer positiven Veränderung in sich tragen. Doch in der jetzigen Form ist die Filmakademie nicht integrierend, sondern ausschließend. Darin sehe ich das größte Problem. So, wie sie jetzt gedacht ist, ist es nicht die Akademie, die wir brauchen. Mit ihrer 10-Kopien-Regel für Spielfilme grenzt sie viele wertvolle Filme aus. Eine deutsche Filmakademie, die auf breitem Boden stehen will, sollte eine Vielfalt von Strömungen im deutschen Film integrieren, und nicht nur eine Minderheit repräsentieren. Dafür muß sie auch filmkünstlerische Werke von sogenannten Außenseitern und Querdenkern zur Teilhabe an den für den Deutschen Filmpreis vorgesehenen Fördergeldern zulassen. Eine Filmakademie, die einseitig auf kommerziell erfolgreiche Filme orientiert ist, übersieht eine wesentliche Strömung innerhalb des deutschen Films, die spätestens seit des sogenannten Neuen Deutschen Films der späten 60er und 70er Jahre in diesem Land eine Tradition hat, und existiert an der Wirklichkeit vorbei. Bleibt die Frage, ob die Filmakademie in ihrer Ausrichtung verändert werden kann, indem sie sich in die Wirklichkeit des deutschen Films hinein öffnet. Und zwar als Akademie für alle Filmschaffenden mit der nötigen Kraft, dem nötigen Mut und der notwendigen Vision für eine vielfältige, auch Minderheiten und Außenseiter nicht isolierende Filmkultur. Eine offene, nicht ausgrenzende deutsche Filmakademie würde es vielen Bundesfilmpreisträgern mental erleichtern, eine Mitgliedschaft, die ihnen auf Grund ihrer Auszeichnung angeboten wurde, auch zu erwägen.

Es muß Schluß gemacht werden mit der Angst. Schluß gemacht werden mit der Angst vor Quoten, mit der Angst vor kommerziellem Mißerfolg, mit der Angst vor der eigenen, persönlichen Verantwortung, der eigenen „inneren Stimme“, den eigenen Träumen und dem je ganz eigenen Leben mit all seinen Fehlern, seinem Scheitern und seinen Triumphen.

Eine deutsche Filmindustrie, die es ja auch nicht wirklich gibt, kann nicht auf sandigem Ödland stehen. Sie kann nur auf dem fruchtbaren Boden einer lebendigen Filmkultur wachsen und sich entwickeln. Geistig unabhängiges, ungezähmtes, unangepasstes Filmemachen muß unterstützt werden, und die Regisseure müssen mit diesen Arbeiten auch die Möglichkeit erhalten, durch die Förderung der mit der Auszeichnung mit einem deutschen Filmpreis verbundenen Gelder, die Gelder der kulturellen Filmförderung sind, unterstützt zu werden.