» Die Welt | 16.01.2005 | Text: dk
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Kelemen rettet die Kinokunst

Er hatte Alle Chancen. Genutzt hat er sie nicht. Weil er nicht wollte. Fred Kelemen hätte ein kommerziell erfolgreiches Leben als Regisseur führen können. Aber er hat seinen eigenen Kopf.
Wenn er sich nicht fotografieren lassen will, dann stimmt den Sohn einer ungarischen Mutter und eines russisch-deutschen Vaters niemand um. Und wenn er einen Film machen will, dann macht er ihn so, wie er will. Bereits für seinen DFFB-Hochschul-Abschlußfilm "Verhängnis" bekam er im Jahr 1995 den Bundesfilmpreis. Die kürzlich verstorbene Susan Sontag nannte dieses frühe Werk eine "einzigartige visionäre Leistung". Ähnliches wollte er hervorrufen, als er im Sommer an der Filmhochschule von Riga ein Seminar gab.
"Ich fand, es geht nicht, daß in der Stadt, in der Sergej Eisenstein geboren wurde, das Kino in Vergessenheit gerät", so Kelemen. Die Studenten in der Heimat des "Panzerkreuzer Potemkin"-Regisseurs würden fast nur fürs Fernsehen arbeiten. "Es droht der Verlust von Kino als originäre Kunst."
Die jungen lettischen und deutschen Filmschaffenden widmeten sich gemeinsam der filmischen Erkundung der Moskauer Straße in Riga. Ein gemeinsames Arbeiten, keine graue Theorie. "Ich gebe den Unterricht, den ich selbst gern gehabt hätte", sagt Kelemen.
Die Moskauer Straße führt durch die Lebenswelten der unterschiedlichsten sozialen Schichten und historischen Epochen. Zur Zeit der Sowjetunion war dies der multikulturellste Ort Rigas. Hier kamen die Händler aus den entlegensten Republiken zusammen. Die Studenten erzählen Geschichten von den Menschen dieser Straße, Geschichten, die dort geschahen, geschehen oder geschehen könnten. Am Ende gab es 16 Filme - von Dokumentation bis Fiktion -, die nun im Arsenal flimmern.
Nebenbei hat Kelemen übrigens in zehn Tagen einen eigenen Film gedreht. "Fallen" („Glut“) - wie immer eine traurige Liebesgeschichte und in nur zehn Tagen abgedreht. Kelemen wollte nicht warten, bis endlich die Instanzen der Filmförderung zugestimmt haben.
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dk, Die Welt 16. Januar 2005