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Was Maskatschka auf dem Herzen hat

(Lett. “Maskacka” ist der Kiezname der Moskauer Straße in Riga – d. Übers.)

In diesem Sommer findet bereits zum zweiten Mal der Workshop für zukünftige Kameraleute statt. Drei Monate lang arbeiten die Studierenden an ihren Diplomprojekten: sie führen selbständig Regie und drehen insgesamt 17 Filme. Die meisten davon sind Spielfilme, einige Dokumentationen sind auch dabei. Drei von denen haben wir verfolgt.

1.
Der deutsche Filmregisseur Fred Kelemen kam auf die Idee eines solchen Workshops vor 4 Jahren, als er in Riga seine Filme vorführte. Damals kamen auch die künftigen Kameraleute, um sich diese Filme anzuschauen. Es gab Gespräche und Diskussionen. Fred Kelemen hielt es für wichtig, dass die Studierenden praktische Erfahrungen sammeln und erfahren können, was „Filmkunst“ in ihrem klassischen Sinne bedeutet. Gegenseitiges Interesse und gemeinsame Pläne sind entstanden. Der erste Workshop fand nach einem knappen Jahr statt, und dessen Erfolg schien sowohl den Organisatoren als auch den Studierenden so groß, dass sie in diesem Frühling wieder zusammenkamen, um die Arbeit fortzusetzen. Diesmal lud Fred Kelemen auch 5 Studierende aus Deutschland zur Teilnahme ein, das lässt sowohl die Einheimischen als auch die Gäste ihre Erfahrungen aus jeweils anderer Perspektive einschätzen. Auf der lettischen Seite wird das Projekt von Laima Freimane und Kristians Luhaers betreut.

2.
Auch ein Dokumentarfilm kann voll einfühlsamer Poesie sein... Innerhalb von 3 Monaten einen Film zu drehen bedeutet intensive Arbeit. Zunächst entwickelt man das Drehbuch (die Studierenden machten das selbständig), dann muss man Drehorte und Filmschauspieler aussuchen, Drehteams bilden, Zeit planen, plötzlich auftretende Probleme stets lösen (auch solche scheinbar unwichtigen, wie z.B. ein Platzregen). Wenn das gesamte Filmmaterial fertig ist, beginnt der Schnitt. Erst Mitte Juli, wenn die Filme zum erstenmal gezeigt werden, können die Studierenden einander auf die Schulter klopfen und gratulieren.

3.
Die Studierenden erzählen, kleinere Filmaufnahmen seien für sie ein üblicher Bestandteil des Studienprogramms, dennoch sei dieser Workshop ein besonderes Ereignis, hauptsächlich deswegen, weil die von ihnen gedrehten Filme ihre Diplomarbeiten sind. Außerdem ist die Finanzierung für sie diesmal gesichert, das bedeutet größere Möglichkeiten sowohl bei der Umsetzung von eigenen Ideen, als auch bei der Anwendung von manch einem „technischen Wunder“, welches normalerweise unzugänglich wäre. Das menschliche Material aber ist wie immer – rege und nicht prognostizierbar. Maskackas Kinder

4.
In diesem kleinen Häuschen am Stadtrand wurden die Indoorszenen für den Film von Valdis Celminš gedreht. Das Thema seiner Diplomarbeit ist die mangelnde Kommunikation – eine Geschichte von zwei alten Männern, die auf beiden Seiten einer Landstraße leben und sich mit Hilfe von Winkerzeichen verständigen. Die beiden haben einen Spezialcode entwickelt, dann aber besorgt sich einer von ihnen ein Fernsehgerät, das wie ein Staubsauger funktioniert – es zieht alles ein. Und da entsteht ein Problem.
Da nur der Hinweis auf die Moskauer Straße im Workshop obligatorisch ist, ließen die Studierenden ihrer Phantasie freien Lauf. Der größte Teil des Filmmaterials stammt aus anderen Ecken Rigas und Lettlands. Dennoch ist die Moskauer Straße in jedem Film direkt oder indirekt zu finden. Die Überraschung der deutschen Studierenden war groß, als sie sahen, wie man Brennholz hackt. Bis jetzt haben sie so etwas noch nie gesehen...

6.
Annett Schütz aus Deutschland ist die einzige Seminarteilnehmerin, die einen Dokumentarfilm über den Alltag von Maskatschka wählte. Das ist für sie eine neue Erfahrung mit einem leicht nostalgischen Unterton, denn Annett kommt aus Ostberlin und kann sich noch an die Zeiten vor dem Fall der Berliner Mauer erinnern. Sie sagt, dass viele von den gesehenen Szenen und Bildern hätten in ihr Kindheitserinnerungen hervorgerufen. Annett erlernt Filmschnitt in der ältesten Filmkunstschule Deutschlands. Das Studium dort ist sehr spezifisch: hast du einmal Schnitt gewählt, wirst du Schnitt auch beherrschen, deshalb ist das hier für Annett die erste Gelegenheit, einen ganzen Film selbständig zu drehen.

7.
Auch zum erstenmal lernte Annett die Teamarbeit bei Filmaufnahmen kennen, und sie hält es für eine großartige Erfahrung. Sehr harmonisch ist ihre Zusammenarbeit mit dem lettischen Studenten und Kameramann Aleksandrs Grebnevs, die beiden haben ihre Ideen gegenseitig bereichert. Der Film ist auch Aleksandrs Diplomarbeit, von den einheimischen Studierenden wollte er als einziger keinen eigenen Film schaffen, sondern bei einem fremden Filmprojekt Kamera führen.

8.
Bei der gemeinsamen Tätigkeit mit lettischen Studierenden stellte Annett fest, dass sie die technische Ausstattung, die zu Hause zugänglich ist, für selbstverständlich hält. Die hiesigen Studierenden haben viele Dinge nicht, die bei ihr zum Alltag gehören. Aber gerade das macht, ihrer Meinung nach, die Letten offen für die Suche nach Möglichkeiten und fördert ihre Improvisationsfähigkeit, denn ihre Ideen haben die lettischen wie die deutschen Studierenden gleich gut umgesetzt, obwohl die Möglichkeiten sich wesentlich unterscheiden. Lettische Studierende sind viel menschlicher und natürlicher als ihre deutschen Berufskollegen, sie versuchen nicht, werdende Stars zu mimen.

10.
Während unseres Gesprächs bereitet Mara Spridzane erst die Filmaufnahmen vor. Die Schauspieler sind gefunden, das Drehbuch ist fertig und die Filmdrehorte sind bekannt. Sie macht einen Film für Kinder und mit Kindern, die Geschichte von einem Jungen, der sich schuldig für etwas fühlt, was er nicht getan hat. Das ist ihr größtes Projekt bisher, es lässt sie ihre Möglichkeiten und Fähigkeiten einschätzen.

11.
Andra Vasilevska wollte bei ihrem Film die Regie und die Kamera übernehmen. Die Arbeit ist kompliziert, um so größer ist die Genugtuung, wenn sie abgeschlossen ist. Dieses Projekt gab Andra die Möglichkeit, die Arbeit im Team kennen zu lernen – eine Erfahrung, die später sehr nützlich sein wird.

12.
Ein Teil des Films von Andra wurde am Anfang der Moskauer Straße aufgenommen – auf dem Zentralmarkt, wo die Aktivitäten der Studierenden von dortigen Händlern aufmerksam beobachtet wurden.
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Übersetzung aus dem Lettischen