» WAS BLEIBT

- zum Verhältnis von Kunst und Mut -
von Fred Kelemen, Tel Aviv am 23. August 2013

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Der kreative Akt erfordert zunächst keinen Mut. Ebenso wenig, wie es für einen Triebtäter eine Frage des Mutes ist, seinem Drang nachzugeben und zu handeln. Im Gegenteil kostet ihn das Unterdrücken des Handelns die größere Anstrengung. Mut zur Tat wird dem abverlangt, der nicht von seinem inneren, unlöschbaren Feuer voran und in den Strudel der Tat getrieben wird.
Wahrhaftige, echte Kreativität geschieht in der Unschuld des Handeln-Müssens, in der Unschuld, keine Wahl zu haben und nicht anders zu können als dem Ruf seines eigenen Blutes zu folgen. Kreativität ist Tat und Schicksal. Die Kraft der Inspiration drängt den kreativen Menschen zur Tat, zum Schöpfen. Handwerkliche Geschicklichkeit und Können, Intuition und Instinkt, Erfahrung und Wissen, Geschmack und ethische Haltung, Sensibilität und Begabung, Verletzlichkeit und Ausdauer lassen ihn die Form und damit die Realität seines Werkes gestalten. Das allerdings erfordert den Mut der Hingabe an die bildenden Kräfte, die auch dem kreativen Menschen möglicherweise ein dunkles Geheimnis sind. Er braucht den Mut, sich ihnen anzuvertrauen. Und er braucht den Mut und die Kraft, seiner Kreativität die notwendigen Bedingungen zu verschaffen und sein Schöpfen zu verteidigen gegen all jene Kräfte, die sich ihm entgegen stellen - die eigenen, inneren des Zweifels, der Unentschiedenheit, des Konformismus, der Gefallsucht, der Trägheit und Ängste, so wie die äußeren einer Umgebung, die Hand anlegt gegen sein Schaffen, in dem sie sich ihm ohne Toleranz, Respekt, Verständnis und Liebe nähert.
Der freie Raum für die künstlerische Tat muß von jedem Einzelnen ständig neu erobert werden. Und dazu gehört der Mut eines vereinzelten Aufständischen ohne Armee, der von denen, denen er sich entgegenstellt und deren Eingrenzungen er untergräbt, einreißt, überspring oder gar überfliegt, nicht geliebt werden wird. Doch diesen Mut findet er in der Unschuld seiner Überzeugung, das er das Richtige tut, weil sein Herz es ihm sagt. Der kreative Akt erfordert keinen Mut doch es braucht den Mut des Glaubens und des Willens, ihn konsequent durchzuführen, ihm Leben, Leuchtkraft, unbedingte Präsenz zu geben und sich nicht beirren zu lassen und den eigenen Weg zu gehen durch vermintes unbehaustes, unheimliches Gelände, um am Ende vielleicht eine einsame Spur von Schönheit, Liebe und Wahrhaftigkeit gezogen zu haben, die einem anderen für eine Zeit dienen mag auf seinem ebenso einsamen Weg. Nichts sonst bleibt. Und nichts sonst besteht.

"Fortunately, between chance and mystery lies imagination, the only thing that protects our freedom, despite the fact that people keep trying to reduce it or kill it off altogether." (Louis Buñuel)

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Fred Kelemen, Tel Aviv am 23. August 2013 - "dffb intern 2013/14"