» Filmdienst Nr. 10/2006
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60 Jahre DEFA

Der DEFA-Film nimmt nach meiner Auffassung innerhalb der deutschen Filmgeschichte eine wesentliche und noch immer unterschätzte Rolle ein, da er nach 1945 einen anderen Weg ging als der Film der BRD, der vorrangig kommerziell orientiert war. Diesem kommerziellen Druck war der DEFA-Film nicht ausgesetzt, wodurch es trotz staatlicher Zensur Möglichkeiten gab, filmkünstlerisch orientiert zu arbeiten. Ich erkenne in vielen DEFA-Filmen eine Ernsthaftigkeit der Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen und ethischen Fragen, die im Film der BRD so nur ausnahmsweise zu finden war.
Gerade auch die Weise der Darstellung von Menschen hat etwas angenehm Unaffektiertes und besitzt in ihrer oft erzielten Nüchternheit jene Spuren von Wahrhaftigkeit und Wirklichkeit, die ich schätze. Obgleich ein unzensierter Blick in die alltägliche Wirklichkeit durch die Leinwand wohl kaum oder gar nicht möglich war, eignet vielen DEFA-Filmen eine Aufrichtigkeit im Ringen mit den Ausdrucksmöglichkeiten, die darin dann doch wieder viel Wirklichkeit sichtbar werden lassen.   
Ich denke, dass der heutige und auch der zukünftige künstlerische Film in Deutschland, sofern es ihn gibt oder gebe sollte, ebenso an den deutschen Film vor 1933 wie an den DEFA-Spielfilm anknüpfen kann. Der künstlerische Film wurde in den Jahren der nationalsozialistischen Herrschaft abgeschafft, und mit der UFA wurde der deutsche Film für propagandistische und kommerzielle Ziele benutzt. Diese Tradition wurde nach 1945 von den Besatzern der Westteile Deutschlands fortgesetzt und die künstlerische Tradition konnte kaum fortgesetzt werden, die einseitig kommerzielle Ausrichtung blieb bestehen. Bis heute ist das Künstlerische in Deutschland im Film verpönt, wird der künstlerische Gestus eher bestraft als gefördert, sind künstlerisches Ringen und der Versuch, das Wirkliche zu fassen, eher selten. Und da wäre ein Bewusstsein für eine neben dem Kino der alten BRD ebenso existente Tradition des deutschen Films, zu dem auch der westdeutsche Autorenfilm des so genannten Neuen Deutschen Films gehört, hilfreich, um einen neuen, nicht ausschließlich kommerziell orientierten Weg im deutschen Film einzuschlagen.
Meine DEFA-Lieblingsfilme zu nennen ist nicht leicht, da ich bei weitem nicht alle DEFA-Filme kenne. Meine ersten Kontakte mit Filmen der DEFA kamen als Kind und Jugendlicher durch das DDR-Fernsehen zustande, das ich, in West-Berlin lebend, empfangen konnte. Später gab es hin und wieder Gelegenheit, in Kinos wie dem Berliner Babylon einige DEFA-Filme zu sehen. Zu meinen DEFA-Lieblingsfilmen gehören aber sicher „Die Mörder sind unter uns“ von Wolfgang Staudte, „Dein unbekannter Bruder“ von Ulrich Weiß und „Ich war neunzehn“ von Konrad Wolf.

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Fred Kelemen, 11. Mai 2006