» Synopsis
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„Riga – Moskauer Straße“
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Lettisch-Deutscher Film-Workshop mit Fred Kelemen in Riga 2004
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Unter der Leitung des in Berlin lebenden Film- und Theaterregisseurs, Kameramanns und Drehbuchautors Fred Kelemen wird in Riga ein praktisches Regie- und Kameraseminar mit lettischen und deutschen Filmstudenten stattfinden. Im Zuge dieses Seminars werden etwa 16 Studenten innerhalb von 3 Monaten im Frühjahr 2004 jeweils einen Film zum Thema „Riga – Moskauer Straße„ fertig stellen. Der Ansatz folgt der Grundüberlegung „von der Praxis zur Kenntnis“. Bei der Gruppe handelt es sich um eine gemischte Gruppe von lettischen und deutschen Studenten. Durch die gemeinsame Arbeit wird der interkulturelle Dialog gefördert, die verschiedenartigen kulturellen Perspektiven bewusst gemacht und die Wesensinhalte unterschiedlicher Ausbildungsformen und –realitäten verdeutlicht. Vier bis fünf deutsche und zwölf lettische Studenten werden an diesem Produktionsseminar teilnehmen, das sowohl von der Lettischen Kulturakademie (LKA), vom Lettischen Filminstitut als auch vom Goethe-Institut Inter Nationes sowie verschiedenen Stiftungen unterstützt wird.

Dieses Seminar ist für Regie- und Kamerastudenten, die Lust haben, sich auf das Abenteuer Mensch einzulassen. Wem menschliche Situationen, die zu Geschichten werden können, aber nicht müssen, und menschliche Gefühle und Taten noch etwas bedeuten, wer die Konfrontation mit der Realität von Menschen, die unser aller Realität ist, nicht scheut, und wer einfach Interesse hat, dem Leben an bestimmten Orten und zu bestimmten Zeiten auf die Spur zu kommen, der hat dazu in diesem Seminar Gelegenheit.
Den Anfang der Reise, und das Drehen eines jeden Filmes ist eine Reise sowohl im physischen als auch im geistigen Sinn, bildet in diesem Fall ein konkreter Ort. Dieser Ort ist eingegrenzt und doch weit; sogar unendlich weit. Es ist die Moskauer Straße in Riga. Von hier aus nimmt das Denken und Fühlen, das Sehen seinen Weg. Was sichtbar ist und was sichtbar werden kann, wird die Leinwand füllen mit Bildern, die es nur im Kino und in unserer Imagination gibt. Nicht nur, was ist, sondern auch, was sein kann – das Wirkliche und das Mögliche, verbinden sich zum Tanz der Bilder auf der Leinwand und in unserem Bewußtsein. Die Moskauer Straße in Riga ist der Boden, auf dem dieser Tanz ausgeführt wird. Der konkrete Ort soll als Ausgangspunkt der verschiedenen Filme dienen. Jeder Student wird einen Film drehen. Jeder nach seiner Entscheidung, seinem Geschmack, seinem Temperament, seiner Erfahrung, seiner Imagination. Das Gemeinsame der Filme wird sein, das alle an der Moskauer Straße in Riga entstehen.
Nicht irgendein „Hirngespinst“, nicht die Kopie eines durch Kino oder Fernsehen vermittelten Lebens, nicht die Wiederholung der immer gleichen Klischees und Vorurteile sollen den Ausgang der Filme bilden, sondern das Leben selbst: Beobachtet, empfunden, erfahren, imaginiert, aufgespürt in der Welt außerhalb von uns und in uns. So traurig, so lächerlich, so wundervoll, so absurd, so tragisch, so banal, so aufregend, so amüsant, so verzweifelt wie es eben sein kann. Ungeschönt. Nicht gefiltert. Nicht verklärt. Sondern sichtbar gemacht. An das Licht des Projektors, vor das Auge des Zuschauers gebracht.
Die Moskauer Straße in Riga erstreckt sich über eine große Distanz und führt dabei durch die Lebenswelten der unterschiedlichsten sozialen Schichten und historischen Epochen. Die Straße beginnt an den Markthallen im Zentrum der Stadt. Zur Zeit der Sowjetunion war dies ein multikultureller Ort Rigas. Hier kamen die Händler aus den entlegendsten Republiken zusammen. Das Nebeneinander der verschiedenen Völker, die bunte Vielfalt der Menschen und ihrer Waren ist mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion verschwunden. Von den Markthallen führt die Straße durch das ehemalige jüdische Viertel, dessen gelebte Tradition mit dem Einmarsch der Deutschen und dem Mord und der Vertreibung seiner Bewohner im Zweiten Weltkrieg vernichtet wurde. Weiter läuft die Straße vorbei an modernen Freizeit- und Einkaufskomplexen, an Hochhaussiedlungen, wo überwiegend Russen leben, bis zur Stadtgrenze. Darüber hinaus wird sie zur Landstraße, von der ein Weg in einen Wald führt, der in der Stille der Gedenkstätte des ehemaligen Konzentrationslagers „Salaspils“ endet.
Die Moskauer Straße reiht aktuelle lettische Lebensrealitäten ebenso auf, wie die wechselhafte lettische Geschichte, und konfrontiert mit deutscher Vergangenheit.
Die Studenten sind dazu angehalten, Geschichten zu erzählen, Geschichten von den Menschen dieser Straße, Geschichten, die dort geschahen, geschehen oder geschehen könnten. Das Reale soll Sprungbrett für die Imagination sein. Das Hinsehen und Einlassen auf einen Ort, der so komplex und widersprüchlich ist wie das gesamte Leben, soll die filmische Phantasie in Gang setzen und so die vorgefundene, sich ereignende Realität um die mögliche Realität bereichern. Am Ende sollen 16 Filme stehen, die von der Wirklichkeit des Lebens erzählen, deren Bestandteile immer das Imaginierte und das sogenannte Tatsächliche sind. Dabei reicht der formale Bogen von der Dokumentation bis zur Fiktion, was das Experimentelle mit einschließt.

Grundlage für diese Arbeit ist für die lettischen Studenten das praktische Regie- und Kameraseminar, das im Jahr 2002 in Riga stattgefunden hat, während dessen 11 Kurzfilme mit einer Länge von 8 min. – 30 min. entstanden sind. Aufbauend auf dieser Grundlage sollen diesmal
1. die Arbeit mit Schauspielern
2. Montage und Schnitt
3. die Gewichtung und der Umgang mit Bildsprache und Wortsprache im Film die Schwerpunkte bilden, wobei alle anderen Aspekte der filmischen Arbeit natürlich intensiv behandelt werden.
Zu Punkt 1 ist geplant, einen „Workshop im Workshop“ durchzuführen, zu dem die an den Filmen mitarbeitenden Schauspielstudenten der Kulturakademie eingeladen werden. Gemeinsam mit den Filmstudenten wird intensiv eine Woche lang anhand von Szenen der zu drehenden Filme das Inszenieren für die Kamera und der Umgang mit dem Schauspieler als auch für die Schauspielstudenten das Spielen vor der Kamera und der Umgang mit dem Regisseur erprobt.
Während des Seminars werden alle Schritte von der Idee über das Schreiben eines Drehbuches, die Organisation des Drehs, das Drehen, der Schnitt des Materials und die Präsentation und Analyse des fertigen Filmes durchlaufen.
Dabei werden die deutschen Studenten an die lettische Lebensrealität herangeführt, sich den spezifischen kulturellen Hintergrund Lettlands erarbeiten und die weitgehend andere Art der Letten, mit Bildern umzugehen und Gefühle und Gedanken filmisch auszudrücken, kennen lernen. Während die lettischen Studenten durch die Zusammenarbeit mit den deutschen Kommilitonen in die Lage versetzt werden, ihren Blick auf die eigene Realität durch die Konfrontation mit deren frischem Blick von außen in neuer Weise zu reflektieren. Es gilt also, Realität künstlerisch zu reflektieren.

”I’m always for the ’crazy’ people. My aspiration, my great dream, is that each person be himself, with all the risks this entails, including the risk of being crazy… If you’re authentically yourself, you have such a load of honesty that it must per force lead to something. From a very humble position you can face everything and you can revise the whole conception of the universe.” – (Roberto Rosselini)

(„Ich bin immer für die ‘verrückten’ Leute. Mein Streben, mein großer Traum ist, daß jede Person sie selbst ist, mit all den Risiken, die das mit sich bringt, einschließlich des Risikos, verrückt zu sein... Wenn du wirklich du selbst bist, verfügst du über ein so gewichtiges Maß an Aufrichtigkeit, daß diese Kraft allein zu etwas führen muß. Von einem sehr demütigen Standpunkt aus kannst du dich allem stellen und du kannst die gesamte Konzeption des Universums verändern.“ - Roberto Rosselini)

 

 

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